Vor einigen Jahren habe ich die Beziehung zu einer langjährigen Freundin abgebrochen. Ein seltener Vorgang in meinem Leben. Treue – ein altmodischer Begriff – ist mir ein hohes Gut. In all meinen Beziehungen. Kennengelernt habe ich sie während meines vierjährigen Aufenthalts in einem Versöhnungsprojekt in Israel. Damals war ich 30 und sie 20 Jahre. Ich mochte sie auf Anhieb: jung, klug, künstlerisch begabt. Gerade erst aus der DDR „entlassen“ probte sie den Widerspruch. Sie war aufsässig und unangepasst. Ein kleiner Freigeist. Ich fand das klasse. Später schloss sie sich einer Freikirche an. Das fand ich weniger klasse. Für mich fühlte sich das an, als habe sie gerade die politische gegen eine religiöse Diktatur eingetauscht. Aber wer war ich, diese Entscheidung infrage zu stellen? Dann aber wurde es persönlich. Sie prangerte meine Beziehung an. Meine Liebe zu einer Transfrau. Das von Gott gegebene Geschlecht nicht akzeptieren? Unmöglich! Als Frau mit einer Frau leben? Völlig unmöglich! Ihre Abneigung ließ sie meine Partnerin spüren und meine Argumente an sich abprallen. Ich akzeptiere in einer Freundschaft vieles. Aber Menschen schlecht behandeln, die ich liebe? Unmöglich! Einen Menschen ablehnen, weil er anders lebt und liebt? Völlig unmöglich! Seitdem ist unsere Freundschaft Geschichte.
Für manche Menschen ist Liebe anscheinend teilbar. Einteilbar. Eine gute Liebe ist die Liebe zwischen Mann und Frau. Eine schlechte Liebe die zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau. Negiert wird dabei die Tatsache, dass wir uns nicht aussuchen, wen wir lieben. Liebe ist eine Himmelsmacht. Liebe geschieht oder sie geschieht nicht. In einer Welt, in der Hass und Hetze immer mehr an Boden gewinnen, sollten wir dankbar sein. Dankbar für jede Liebe, die Menschen sich trauen zu leben. […]
Erschienen in PUBLIK FORUM EXTRA LEBEN, 01.02.2023
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