Ich war zehn oder elf Jahre alt, da erzählte ich meinen Mitschülerinnen und Mitschülern enthusiastisch von einem dreiwöchigen Kanada-Urlaub im Wohnmobil. Meine Begeisterung erhielt einen Dämpfer, als mich ein Mitschüler misstrauisch fragte: »Sind deine Eltern, etwa Bonzen?« Ich kannte das Wort damals nicht, aber ich verstummte augenblicklich. In diesem Moment merkte
ich zum ersten Mal: Ich bin anders als die anderen. Meine Familie besitzt in Baden ein Unternehmen, das zu den sogenannten »Hidden Champions zählt – und Stefanie Bremer ist ein Pseudonym.
Meinen richtigen Namen verwende ich nicht, weil meine Familie mein Engagement & eine Vermögenssteuer ablehnt. In meinen Kreisen spricht man nicht über Geld – aus Vorsicht. Aber ich finde, gerade wir müssen über Geld sprechen und über die ungleiche Verteilung von Vermögen. Aktuell verfüge ich – inklusive Immobilien – über etwa zehn Millionen Euro. Ich habe nichts dafür getan, nichts davon erarbeitet. Ich wurde einfach unter einem Glücksstern geboren. Umso mehr betrachte ich es als meine Aufgabe, dieses Geld nutzbringend für andere einzusetzen. Derzeit studiere ich „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ und renoviere zusammen mit meiner Mutter ein Mietshaus. Wenn es neu bezogen wird, werden die Mieten unterhalb des Mietspiegels liegen. Natürlich gibt es Menschen, die sagen: „Stell die Wohnung doch kostenlos zur Verfugung.“ Das könnte ich tun. Aber ich denke, dass Menschen nicht Almosen wollen, sondern faire Mieten. Meine Mutter war früher selbst alleinerziehend und ohne Vermögen. Vielleicht bin ich deshalb so bodenständig erzogen worden. Ich trage keine Markenklamotten und ersetze Kleidungsstücke nur, wenn es nötig ist. Ich habe keine Angestellten und fahre oft mit dem öffentlichen Nahverkehr. Nach dem Abitur habe ich ein Jahr als Au-pair in der Schweiz und ein halbes Jahr in einem sozialen Projekt in Südamerika gearbeitet. 2020 hatte ich, wie viele andere Studentinnen und Studenten auch, nebenbei einen Job – in der Spülküche einer Metzgerei.
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Erschienen in PUBLIK FORUM, 23.07.2021
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