AIs ich 2011 für die Hamburger Bürgerschaft kandidierte, hatte ich eine ganz klare Agenda: Ich wollte als Politikerin etwas bewegen, liberale Positionen – etwa die Freiheit und die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen – sichtbar machen, ganz besonders im Bildungsbereich. Ich glaube einfach an die Kraft, Kreativität, Eigeninitiative und Verantwortung, die in jedem Einzelnen von uns steckt, auf ganz individuelle Weise. Dafür bin ich angetreten. Dafür bin ich gern über persönliche Schatten gesprungen: etwa, wenn es darum ging, vor großem Publikum eine Rede zu halten oder es auszuhalten, dass ein politisches Aushängeschild der Medien 2011 despektierlich titelte: „Westerwelles next Topmodel.“ So von Autoren beschrieben zu werden, die nie ein Wort mit mir gewechselt hatten und gar nicht wussten, wo ich politisch stand, das gefiel mir natürlich ganz und gar nicht. Aber ich wusste: In den sauren Apfel musst du jetzt beißen. Wie in viele andere auch. Zum Beispiel musste ich erkennen und akzeptieren, dass der innerparteiliche Kampf um Macht, Posten und Einfluss deutlich härter und brutaler ist als die Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner und dass manche Politiker sich nicht zu schade sind, diese Gefechte unterhalb der Gürtellinie auszutragen. Schwer erträglich waren auch manche Meetings, die von politischen Selbstdarstellern endlos in die Länge gezogen wurden und mir kostbare Zeit raubten. Arbeitszeit, aber auch Lebenszeit. Tatsächlich waren die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen sympathisch und verständnisvoll. Aber wie ein Tropfen Öl eine ganze Badewanne voll Wasser verunreinigen kann, so reichten sehr wenige Menschen aus, um mir das Leben in der Partei an manchen Tagen zur Hölle zu machen. Dabei führte ich, von außen betrachtet, ein schönes und erfolgreiches Leben. Aber zufrieden und glücklich […]
Erschienen in PUBLIK FORUM EXTRA LEBEN, 01.10.2022
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