ICH HABE VIELE JAHRE GEBETET, AM NÄCHSTEN
MORGEN ALS JUNGE AUFZUWACHEN
“Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass Ihre gefühlte Identität nicht mit ihren körperlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt?
Felix Schäper: “Angeblich war ich damals etwa zweieinhalb Jahre alt. Ich kann mich an diese Begebenheit nicht erinnern, aber in dem Alter soll ich bei meinen Eltern geklingelt
und meiner Mutter erklärt haben: Ich bin Harry Kleemann und hier nur zu Besuch. Aber schon vorher, als Baby, schien ich mich in meinem Körper nicht wohlzufühlen. Stress schlug mir immer auf den Magen, und nachdem ich gefüttert worden war, habe ich meine Mahlzeiten sehr oft wieder ausgespuckt. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass ein Embryo schon im
Mutterleib eine sich widersprechende Kopf-Körper-Identität ausbilden kann.”
“Wie haben Sie Ihre Kindheit und Jugend erlebt?”
Felix Schäper: “Viele Jahre habe ich dafür gebetet, am nächsten Morgen als richtiger Junge aufzuwachen. Das tun, meiner Erfahrung nach, viele transgeschlechtliche Kinder, die in einem religiös geprägten Elternhaus aufwachsen. Ich wollte immer mit den Jungs spielen, aber die nicht mit mir. Später kam ich auf ein katholisches Mädchengymnasium, da wurde es noch schlimmer, weil
ich nur noch von Mädchen umgeben war. Immerhin gab es eines, das – wie ich – von Winnetou und Old Shatterhand schwärmte. Ohne sie wäre meine Kindheit noch einsamer gewesen. Leider hatte ich keinen Bruder, sondern zwei Schwestern. Seine Eltern sah man damals nicht nackt, und so hatte ich keine Vorstellung davon, wie Jungs eigentlich aussehen. Weder zu Hause noch
in der Schule gab es eine Aufklärung, die diesen Namen verdiente. Als meine ältere Schwester ihre Periode bekam, da wusste ich sofort: So etwas kriege ich nicht.”
“Eine Erwartung, die enttäuscht werden musste.”
Felix Schäper: “Natürlich. Als ich meine Regelblutung bekam, war das für mich eine traumatische Erfahrung. Mit 14 Jahren habe ich in einem Lexikon nach einer Definition gesucht, die mich beschreibt. Das Internet gab es ja damals noch nicht. Was ich fand, war das Wort: transsexuell.” […]
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